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Zivilprozess

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Rechtsschutz in klaren Fällen

Rechtsgebiet:
Zivilprozess
Stichworte:
Zivilprozess, Zivilverfahren
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Ziel des Verfahrens betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen (früher Befehlsverfahren) ist es, den Gesuchsgegner mit Hilfe des Gerichts unter Androhung von Nachteilen zu zwingen, eine Leistung zu erbringen, eine Handlung vorzunehmen oder eine solche zu unterlassen.

Anwendungsbereich

Das Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen ist grundsätzlich zur Durchsetzung von Geldforderungen (Anerkennungsklage) und von Gestaltungs- und Feststellungsansprüchen zulässig.

Aufgrund der Besonderheiten dieses Verfahrens ist es nicht in jedem Fall geeignet, um einen Anspruch durchzusetzen (siehe Voraussetzungen und Beweis).

Verfahrenseinleitung

Das Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen wird durch ein Gesuch des Gesuchstellers direkt beim Gericht eingeleitet. Ein Schlichtungsverfahren entfällt. Das Gesuch muss schriftlich sein, eine Begründung des Begehrens enthalten und die Beweismittel bezeichnen.

Rechtshängigkeit

Das Einreichen eines Gesuches im Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen hat den Eintritt der Rechtshängigkeit zur Folge (Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO). Die Einleitung eines ordentlichen oder vereinfachten Verfahrens betr. des gleichen Anspruches ist nicht möglich.

Voraussetzungen

Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) setzt einen unbestrittenen oder einen sofort beweisbaren Sachverhalt und eine klare Rechtslage voraus. Der Rechtsschutz in klaren Fällen ist ausgeschlossen, wenn die Offizialmaxime gilt.

Ein Sachverhalt ist sofort beweisbar, wenn für die Sachverhaltsdarstellung des Gesuchstellers unverrückbare Beweise vorliegen. Diese Beweise bestehen i.d.R. aus Urkunden.

Ein Sachverhalt ist unbestritten, wenn der Gesuchsgegner der Sachverhaltsdarstellung des Gesuchstellers nicht widerspricht.

Hinweis:

Hat der Gesuchsteller für seine Darstellung keine Urkundenbeweise, kann der Gesuchsgegner das Gesuch mit einer einzigen Bestreitung zu Fall bringen. Das Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen ist deshalb ohne klaren Urkundenbeweis nicht zu empfehlen.

Eine klare Rechtslage liegt vor, wenn der Gesuchsteller einen klar ausgewiesenen Rechtsanspruch gegen den Gesuchsgegner hat. Der Rechtsanspruch muss sich aus einer Urkunde (Urteil, Vertrag usw.) oder aus dem Gesetz ergeben. Falls der Rechtsanspruch an Bedingungen geknüpft ist, muss der Gesuchsteller den Eintritt der Bedingung beweisen.

Hinweis:

Der Gesuchsgegner kann unter Umständen durch eine blosse Einrede das vom Gesuchsteller behauptete klare Recht zerstören. Erhebt der Gesuchsgegner die Einrede der Schlechterfüllung eines Vertrages, sind die Rechte des Gesuchstellers aus diesem Vertrag u.U. nicht mehr klar.

Beweis

Der Gesuchsteller hat seine Sachverhaltsdarstellung grundsätzlich zu beweisen. Glaubhaftmachen genügt nicht, auch wenn es sich um ein summarisches Verfahren handelt.

Legt der Gesuchsteller keine Beweise vor und hat das Gericht Zweifel an seiner Darstellung, kann es das Vorlegen von Beweismitteln verlangen oder selbst Beweise erheben (Art. 55 Abs. 1 ZPO, 153 Abs. 2 ZPO, Art. 257 ZPO). Genügen die vom Gesuchsteller vorgelegten Beweise nicht, wird auf sein Gesuch nicht eingetreten.

Anerkennt der Gesuchsgegner die Sachverhaltsdarstellung des Gesuchstellers, erübrigt sich grundsätzlich das Vorlegen von lückenlosen Beweisen. Das ist eher selten der Fall.

Der Gesuchsgegner ist für eine allfällige gegenteilige Darstellung ebenfalls beweispflichtig. Für die Darstellung des Gesuchsgegners genügt in Einzelfällen blosses Glaubhaftmachen, nämlich das blosse Erheben einer Einrede oder Einwendung, welche der Gesuchsteller nicht sofort entkräften kann.

Beispiele:

  • Der Gesuchsgegner erhebt die Einrede, der Gesuchsteller habe den zwischen ihnen bestehenden Vertrag (z.B. Kaufvertrag) nicht bzw. nicht richtig erfüllt (z.B. Falschlieferung). Der Gesuchsteller kann nicht beweisen, dass er den Vertrag vollständig und richtig erfüllt hat. Das Gesuch wird infolge der bloss glaubhaft gemachten Einrede des Gesuchsgegners abgewiesen.
  • Der Vermieter reicht ein Gesuch auf Ausweisung des Mieters aus einer Wohnung ein. Das Mietverhältnis ist frist- und formgerecht gekündigt und eine Erstreckung des Mietverhältnisses ist nicht möglich (Art. 272a OR). Als Beweis legt der Vermieter die Kündigungsandrohung (Art. 257d OR) und die Kündigung vor. Der Mieter kann keine Einreden oder Einwendungen gegen die Ausweisung erheben. Das Gesuch wird gutgeheissen und der Mieter ausgewiesen.

Vollstreckungsanordnungen

Das Gericht wird auf Antrag des Gesuchstellers bei Gutheissung des Gesuches eine Vollstreckungsanordnung treffen, für den Fall, dass der Gesuchsgegner dem Entscheid nicht freiwillig nachkommen will (Art. 219 ZPO i.V.m. Art. 236 Abs. 3 ZPO, vgl. auch Art. 337 Abs. 1 ZPO).

Als Vollstreckungsanordnungen kommen in Frage (Art. 343 ZPO):

  • eine Strafdrohung nach Art. 292 StGB;
  • eine Ordnungsbusse bis zu 5000 Franken;
  • eine Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken für jeden Tag der Nichterfüllung;
  • eine Zwangsmassnahme wie Wegnahme einer beweglichen Sache oder Räumung
  • eines Grundstückes; oder
  • eine Ersatzvornahme.

Beispiel Ersatzvornahme

Dem Mieter wird befohlen, die Wohnung unverzüglich zu räumen und zu verlassen unter der Androhung, dass die zuständige Behörde im Unterlassungsfall mit der zwangsweisen Räumung beauftragt wird.

Hinweis:

Ergeht ein Entscheid auf Geldzahlung im Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen, ist die Verbindung mit Vollstreckungsanordnungen nicht möglich, da Entscheide auf Geldzahlung nach SchKG zu vollstrecken sind (Art. 335 Abs. 2 ZPO).

Wirkungen des Entscheides

Bei Gutheissen des Begehrens resultiert ein definitiver Entscheid mit voller Rechtskraftwirkung. Ein neues Verfahren betreffend denselben Streitgegenstand ist damit ausgeschlossen (res iudicata).

Sind die Voraussetzungen für den Rechtsschutz in klaren Fällen nicht gegeben, fällt das Gericht einen Nichteintretensentscheid (Art. 257 Abs. 3 ZPO). Die Rechtshängigkeit dauert bei Nichteintreten fort, wenn eine Klage innert eines Monats eingereicht wird (Art. 63 Abs. 2 ZPO).

Hinweis:

Das Gericht setzt bei Nichteintreten keine Frist zur Klage an. Die Nichteinhaltung der Frist hat den Verlust der Rechtshängigkeit zur Folge.

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